Orkan Zeynep forderte nicht nur Einsatzkräfte an der „Front“.
Sie wird geliebt und gehasst – die Technische Einsatzleitung (TEL) des Landkreises Nienburg/Weser. Sie ist die Einheit des Landkreises, die die Flächenlage entwickelt hat und diese koordiniert. Aber was genau ist die Flächenlage und warum wird die Einheit geliebt und gehasst?
Wählt man hier im Landkreis den Notruf 112 landet man in der Regel in der Leitstelle in Stadthagen. Diese Koordiniert für den Landkreis Schaumburg und unseren Landkreis die Einsätze der Feuerwehren und des Rettungsdienstes. Kommt es beispielsweise zu einem Unwetter, wie die beiden Orkane Ylenia und Zeynep, laufen dort in Sekundentakt Notrufe aus beiden Landkreisen auf, die in der Regel dort auch bearbeitet werden müssen. Schnell kommen die Mitarbeiter der Leitstelle bei solchen Vorkommnissen an die personellen und technischen Grenzen. Um diese Lagen dennoch schnell und effektiv abarbeiten zu können, wurde für den Landkreis Nienburg/Weser die Flächenlage entwickelt.
Bleiben wir bei dem Beispiel Orkan Zeynep. Bereits Tage zuvor warnte der Deutsche Wetterdienst (DWD) vor dem Orkan, der mit enormer Kraft am Abend des 18. Februar Norddeutschland treffen sollte. Nach den Schäden des Orkan Ylenia, keine 48 Stunden zuvor, berieten sich auf Datenbasis des DWD der Fachdienst 175 des Landkreises Nienburg/Weser, die Kreisfeuerwehrführung und die Leitung der TEL, ob es nötig sei die Flächenlage auszurufen. Am Freitagmittag war die Datenlage so, dass der Ausruf der Flächenlage unumgänglich war. Man entschied sich, für 16:30 Uhr den Einsatzbetrieb aufzunehmen. Hierzu errichteten die Mitglieder der TEL in der alten Leitstelle an der Verdener Landstraße eine Einsatzleitung. Es wurden Funkplätze für den Nord- und Südkreis eingerichtet. Weiterhin wurde ein Bereich für die Kräfteübersicht und die Einsatzdokumentation geschaffen.
Pünktlich um 16:30 Uhr meldete die TEL an die Leitstelle in Stadthagen die Einsatzbereitschaft. Damit wurden alle eintreffenden Notrufe für die Feuerwehr weiterhin in Stadthagen angenommen, aber gleich weiter zur Bearbeitung an die TEL übergeben. Diese entschied, zusammen mit den zuständigen Brandschutzabschnittsleiter Volker Brinkmann (Nord) und Ralf Tiedemann (Süd), welche Feuerwehren eingesetzt werden. Bei der Alarmierung der Feuerwehren erhielten diese gleich den Hinweis über die Flächenlage und wie funktechnisch weiter zu verfahren ist.
Um 17:13 Uhr ging es langsam los. Die Böen wurden stärker und die ersten Einsatzmeldungen liefen bei der TEL auf. 24 Kameradinnen und Kameraden der TEL, darunter auch Fachberater vom Technischen Hilfswerk (THW) und vom Rettungsdienst koordinierten die Einsätze. Im Hintergrund war auch der Bereich Presse- und Medienarbeit (Sachgebiet 5 – S5) tätig, denn das mediale Interesse über den erwarteten Orkan war sehr groß. Gleichzeitig konnte das Sachgebiet die sozialen Netzwerke beobachten, um ein direktes Bild von außen zu bekommen.
Gegen 22 Uhr waren fast alle Feuerwehren im Landkreis im Sturmeinsatz. In der Einsatzleitung der Flächenlage waren die Kameradinnen und Kameraden unter Dauerstress. Entscheidungen, welcher Einsätze Priorität hat mussten getroffen werden. “Wir müssen auch schauen, dass wir die Straßen freihalten, damit der Rettungsdienst seine Aufgaben wahrnehmen kann!“ sagte Sven Döding als Leiter der TEL. Bereits zu diesem Zeitpunkt lagen Böen von bis zu 105 km/h über den Landkreis.
Lutz Hoffmann, Erster Kreisrat und selbst Feuerwehrmann, verschaffte sich zwischen den Einsätzen selbst einen kurzen Überblick über die Arbeit der TEL.
Gegen Mitternacht erreichte der Orkan seinen Höhepunkt. Es herrschte auf allen Plätzen reger Funkverkehr. Immer wieder schaute man gebannt auf die aktuellen Daten des DWD. „Dann muss die Straße vorerst gesperrt werden!“ hörte man an mancher Stelle, denn die Feuerwehren kamen mit dem Räumen nicht mehr hinterher oder es war zu gefährlich.
Pressesprecher und gleichzeitig S5 der TEL Marc Henkel verschaffte sich zwischenzeitlich vor Ort bei den Einsatzkräften einen kurzen Überblick. „Ihr sitzt doch da schön im Warmen, während wir hier Arbeiten“ konnten man teilweise hören. „Ja, die Kameradinnen und Kameraden saßen im Warmen, jedoch ist nicht nur der direkte Einsatz an der „Front“, sondern auch die Koordinierung und Logistik im Hintergrund enorm wichtig!“ konnte Marc Henkel die Vorurteile aus dem Weg schaffen. „Das bei solchen Lagen Frust und solche Aussagen kommen, ist normal und menschlich, aber mit einer genaueren Erläuterung sind die Wogen schnell geglättet“ weiß der S5.
Die Flächenlage mit der TEL im Hintergrund ist für die Einsatzleiter vor Ort eine enorme Entlastung. Werden weitere Einsatzkräfte oder die Straßenmeisterei benötigt, müssen diese nur die TEL ansprechen und sich nicht noch selbst um die benötigten Dinge gekümmert werden. „Ich behalte so den Fokus auf meinen Einsatz!“ sagte ein Einsatzleiter.
Ab 00:30 Uhr am Samstag nahm der Orkan an Stärke ab und die Notrufe wurden weniger. Nach und nach konnten die Feuerwehren, die zwischenzeitlich an den Feuerwehrhäusern in Bereitschaft standen, nach Hause entlassen werden.
Um 01:30 Uhr wurde dann, zusammen mit der Leitstelle in Stadthagen, entschieden die Flächenlage aufzuheben. Es waren zu diesem Zeitpunkt zwar noch Feuerwehren im Einsatz, diese konnten dann aber wieder aus dem Landkreis Schaumburg koordiniert werden.
Gegen 03 Uhr waren dann auch die Mitglieder der TEL wieder zu Hause und für sie der Einsatz beendet – vorerst! Viele gingen nur kurze Zeit später in den eigenen Feuerwehren in den Einsatz. Beim Einsetzen des Tageslichtes wurden viele weitere Einsatzstellen sichtbar, die abgearbeitet werden mussten.
„Es hat intern alles wunderbar funktioniert und auch die Zusammenarbeit mit der Polizei war sehr gut!“ war das Resümee von den Brandschutzabschnittsleitern Volker Brinkmann und Ralf Tiedemann. Sven Döding als Leiter der TEL zeigte sich ebenfalls stolz auf „seine“ Mannschaft.
Text: Marc Henkel, Pressesprecher der Kreisfeuerwehr Nienburg/Weser
Quelle: Kreisjugendfeuerwehr Nienburg e.V.